„3 und raus“ ist ein britischer
Film; gespickt mit dem entsprechenden Humor; und erzählt die
Geschichte der Freundschaft zwischen einem U-Bahn-Fahrer und (s)einem
potentiellen Selbstmörder. Klingt schräg? Ist auch schräg – und
vor Allem: absolut sehenswert!
„3 und raus“ - Selbstmörder in spe verzweifelt gesucht
Paul Callow ist unglücklicher
U-Bahn-Führer in London, der eine schriftstellerische Karriere
anstrebt und
von einem abgelegenen Häuschen auf dem Lande träumt, welches allerdings auch erst bezahlt werden müsste... Innerhalb weniger Tage überfährt Paul jedoch zwei Menschen mit seinem Zug und seine Kollegen erzählen ihm, dass Zugführer, die innerhalb eines Monats drei Menschen überfahren, freigestellt bzw. in Pension geschickt und ausbezahlt werden (zehn Jahresgehälter!), da in diesem Fall davon auszugehen ist, dass sie zu traumatisiert sind als dass sie noch weiter in ihrem Job arbeiten können.
von einem abgelegenen Häuschen auf dem Lande träumt, welches allerdings auch erst bezahlt werden müsste... Innerhalb weniger Tage überfährt Paul jedoch zwei Menschen mit seinem Zug und seine Kollegen erzählen ihm, dass Zugführer, die innerhalb eines Monats drei Menschen überfahren, freigestellt bzw. in Pension geschickt und ausbezahlt werden (zehn Jahresgehälter!), da in diesem Fall davon auszugehen ist, dass sie zu traumatisiert sind als dass sie noch weiter in ihrem Job arbeiten können.
Auch nach dem dritten Vorfall hat Paul
allerdings eine Woche Sonderurlaub bekommen: erst am Montag muss er
wieder arbeiten – und am Dienstag ist der „Todesmonat“ um...
Aber Paul wittert seine grosse Chance:
schliesslich bringen sich regelmässig Menschen um und eigentlich
muss er doch nur eine lebensmüde Person finden, die sich
bereiterklärt, ihren Suizid auf Montag und vor Pauls Zug zu
verlegen. Auf einer als Selbstmörder-Brücke verschrieenen
Überquerung trifft er tatsächlich auf Tommy Cassidy, der sich
gerade hinabstürzen will und sich schlussendlich bereiterklärt,
sich doch erst am Montag vor Pauls Zug zu schmeissen.
Die Zeit bis dahin will er noch für
einige Erledigungen nutzen, wie z.B. sich mit Frau und Tochter
auszusöhnen, welche er vor Jahren hat sitzenlassen und weil Paul
befürchtet, Tommy könnte sich das mit dem vor-seinen-Zug-werfen
nochmals überlegen, begleitet er Tommy kurzerhand auf der
mutmasslich letzten Reise dessen Lebens...
„3 und raus“: Latti hat`s gesehen
Anfangs das grosse Entsetzen:
Selbstmörder-Suche als witziger Film aufbereitet? Das tragische
Erlebnis von zwei überfahrenen Menschen als Chance zur
Selbstverwirklichung? Sollte man nicht eher vermitteln: „Wenn du
dich umbringen willst: gut. Aber zieh da keine fremden Leute mit
hinein; schmeiss dich vor keinen Zug, konfrontier keinen Lokführer
mit deinen sich auf seiner Windschutzscheibe verteilenden Gedärmen!“?
Ja, „3 und raus“ klingt zunächst
sehr böse, sehr gleichgültig dem Leben gegenüber, sehr frustriert,
aber: Paul ist tatsächlich kein glücklicher Mensch (dennoch ist
nicht er es, der Todessehnsüchte hegt) und in seinem Fall beteiligt
ihn auch kein Selbstmörder ungewollt an seinem Freitod, denn hier
ist es ja Paul, der den Suizidanten unbedingt davon überzeugen will,
sich von ihm überfahren zu lassen.
Die beiden Menschen, die Paul zuvor
bereits überfahren hat, waren übrigens keine Selbstmörder: einer
ist schlicht verunfallt und der Andere ist am Rande des Bahnsteiges
tot zusammengebrochen und dabei nach vorne auf die Gleise gestürzt.
Paul hat also bislang noch nie erlebt,
wie es ist, wenn sich jemand bewusst vor seinen Zug wirft – und im
Verlaufe des Wochenendes mit Tommy beschleicht ihn auch ein immer
schlechteres Gefühl, wenn er daran denkt, dass er Tommy bewusst
überfahren soll, nicht zuletzt, da sich zwischen Tommy und ihm eine
merkwürdige Zweckfreundschaft entwickelt.
„3 und raus“ beginnt sehr schwarz,
sehr britisch: der Beginn ist sehr skurril und der Film bietet einige
schräge Momente (als Paul z.B. auf der Suche nach einem Selbstmörder
einen älteren Mann anspricht, der sein Leben doch ohnehin schon
gelebt hätte). Zumindest der Anfang ist doch sehr „britische
Komödie“, aber je weiter sich Paul und Tommy von London entfernen
bzw. je weiter sie in das längst tommy-freie Leben von dessen
Familie eindringen, desto ruhiger wird der Film. Hier wird die
Komödie vom Tragik-Drama verdrängt und die humoristischen Szenen
werden deutlich minimiert.
Nun kristallisiert sich auch langsam
heraus, warum Tommy aus dem Leben scheiden will.
Was mir an „3 und raus“ gefallen
hat: Selbstmord wird hier prinzipiell keinerlei Wertung unterzogen,
sondern als freie Willensentscheidung des Selbsttötenden skizziert.
Es wird nicht lamentiert, dass das Leben doch schön sei, dass es
immer eine Lösung gäbe, dass man das denen, die zurückbleiben,
doch nicht antun könne... Im Gegenteil macht Tommy sehr deutlich,
dass er diese Entscheidung, nun sterben zu wollen, sehr bewusst und
nicht aus einer Depression heraus getroffen hat.
Mich bestätigte dieser Film nun aber
ohnehin in meinen Ansichten: hier in der Schweiz wird Sterbehilfe ja
doch freier gehandhabt als in Deutschland und nicht zuletzt, seit ich
einige Angehörige (man kann es nicht anders sagen) habe elendiglich
krepieren sehen, bin ich ohnehin Verfechterin des selbstbestimmten
Sterbens.
Wer allerdings gegenteiliger Meinung
und absolut kontra Selbsttötung ist, der wird sich mit „3 und
raus“ wohl doch etwas schwerer tun, ebenso wie sich Paul immer
schwerer mit dem Gedanken tut, Tommy bei seinem Freitod zu
unterstützen. Grade zum Ende de Filmes hin, welches ich hier nicht
vorwegnehmen kann/will, wird dieser schwelende Gewissenskonflikt
immer deutlicher.
Aber wie gesagt: letztlich wird Suizid
weder direkt bejaht noch verneint. Bejaht wird lediglich
Freundschaft, Unterstützung und Verständnis, ebenso wie die freie
Willensentscheidung, was „3 und raus“ nun aber nicht zu einem
„Hurra, pro Selbstmord!“-Film macht. Die Frühpensionierung wird
letztlich zum Nebenthema; für Paul viel wichtiger ist schlussendlich
die Frage: kann er Tommy tatsächlich töten, wie es dessen Wunsch
ist und wie es anfangs doch auch sein Plan war oder wird er von
seinem moralischen Empfinden eingeholt, welches ihn inzwischen fühlen
lässt, dass es falsch sein könnte, bei einem Suizid Unterstützung
zu leisten? So bleibt man auch als Zuschauer mit der Frage zurück:
wenn jemand, der dir wichtig ist, bittet, ihn beim selbstbestimmten
Tod zu unterstützen, machst du mit?
Obschon „3 und raus“ später einen
solchen Ernst entwickelt, bleibt der Film doch sehr unterhaltsam und
bietet auch zum Schluss hin noch einige kleine Lacher. Aber während
man anfangs noch lauthals lachte, weil einem Paul und seine
Bemühungen so durchgeknallt erschienen, lacht man am Ende eher
verhalten darüber, dass das Leben allgemein doch ziemlich verrückt
ist.
Bei diversen Independent Film Festivals
hat „3 und raus“ doch einige Auszeichnungen eingeheimst, die der
Film zweifelsohne auch verdient hat, nicht zuletzt wegen den
hervorragenden Darstellern.
Die Schauspieler
Mackenzie Crook spielte Paul Callow
Mackenzie Crook kennt man unter Anderem
als leicht debilen Piraten Ragetti aus „Fluch der Karibik“.
Mackenzie Crook ist ein ziemlich schmächtiger Schauspieler, den man
abwechselnd füttern und mal raus an die frische Luft stellen will
(damit er mal ein bisschen Farbe bekommt). Für den in sich
gekehrten, unscheinbaren Paul war er schon rein optisch eine
Idealbesetzung.
Er hat Paul auch weniger gespielt,
sondern ist vielmehr Paul gewesen. Absolut glaubwürdig, vollkommen
authentisch und irgendwie liebenswert verzweifelt.
Colm Meany spielte Tommy Cassidy
Colm Meany ist ohnehin einer meiner
liebsten Schauspieler und insbesondere sämtliche britischen Filme,
in denen dieser irische Schauspieler mitspielt, bekommen von mir von
vornherein schon den Stempel: „muss wohl gut sein“.
Colm Meany blüht als Tommy Cassidy
auf: vom grantigen Penner auf der Selbstmörderbrücke entwickelt
sich Tommy merklich zu dem gestandenen Mann zurück, der er
vermutlich dereinst war und der jetzt allerdings deutlich mehr in
sich ruht. Ohnehin scheint Tommy, je näher sein geplanter Tod rückt,
immer mehr inneren Frieden zu finden. Colm Meany liess Tommy Cassidy
schlussendlich von innen heraus quasi strahlen, während zu Beginn
doch eher muffelte.
Imelda Staunton spielte Rosemary Cassidy
Auf die „3 und raus“-Besetzung
bezogen ist Imelda Staunton bis heute sicherlich die renommierteste
Schauspielerin und in „3 und raus“ hatte sie auch die mit Abstand
ernsteste Rolle. Denn Rosemary Cassidy war in diesem skurrilen Spiel
die „normalste“ Figur: eine Frau, die sich, nachdem sie von ihrem
Mann verlassen wurde, zusammen mit der Tochter ein komplett neues
Leben aufgebaut hatte und von ihren Erfahrungen geerdet worden zu
sein schien. Rosemary ist mit ihrem jetzigen Leben sehr zufrieden,
eine sehr ruhige bewusste Frau, die in ihrem tiefsten Inneren aber
immer noch voller Enttäuschung und Wut auf Tommy ist.
Imelda Stanton zeigte eine Rosemary, in
deren Innerem es brodelt, die aber versucht, Gelassenheit und vor
Allem auch Gleichgültigkeit gegenüber Tommy zu demonstrieren.
Gemma Arteron spielte Frances „Frankie“ Cassidy
Inzwischen ist der Name Gemma Arterton
wohl weithin bekannt: Rollen in „Kampf der Titanen“ und „Prince
of Persia“, Bond-Girl Strawberry Fields in „Ein Quantum Trost“
und aktuell die weibliche Hauptrolle in „Hänsel und Gretel:
Hexenjäger“.
Die Rolle in „3 und raus“ zählte
zu ihren ersten Filmrollen: als ihr Vater sie verliess, hat die
rebellische Frankie offensichtlich beschlossen, ihn fortan zu hassen
und so straft sie ihn auch später mit Verachtung, obwohl man ihr
deutlich anmerkt, dass sie ihn vermisst.
Während der in London lebende Paul
dort komplett verloren wirkt und sich nach ländlicher Idylle sehnt,
erscheint Frances in ihrer idyllischen Wohngegend fehl am Platz,
obschon sie dort sehr eingegliedert zu sein scheint. So sind beide
Figuren ein wenig verloren: Frankie in sich und Paul in der
Grossstadt.
Ich habe mich letztlich über jede
Szene mit Gemma Arterton gefreut, weil sie doch die Figur
verkörperte, die hier am Lebendigsten zu sein schien und somit eine
gewisse Unbeschwertheit vermittelte.
Auch die weiteren Rollen wurden
allesamt von bekannteren, britischen Schauspielern besetzt: einige
sind weltweit durch diverse Filmrollen bekannt, während Andere
hauptsächlich durch Fernsehserien und Co. in Grossbritannien ein
bekanntes Gesicht besitzen.
In jedem Fall lässt sich aber sagen,
dass bei „3 und raus“ schon die Namen auf der Besetzungsliste
eine gewisse Qualität versprechen.
Alles in Allem..
... hat mir „3 und raus“ sehr gut
gefallen; eigentlich war es sogar der beste Film, den ich in letzter
Zeit gesehen habe. Via MyVideo kann man „3 und raus“ zumindest
derzeit komplett gratis ansehen, aber ansonsten erhält man für
kleines Geld auch schon die sehr sehenswerte „3 und raus“-DVD.
Natürlich empfehle ich dieses kleine
Highlight britischer Filmkunst weiter, und zwar mit
9,5 von 10 Rauschmitteln
3 und raus! - MyVideo Schweiz
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