[Bücher-ABC 2013] In meiner
Vorstellung von Nathalie Bergdolls Roman „Hochgefickt“ habe ich
ja schon darauf hingewiesen, dass ich auch noch von einem Roman mit
dem denkwürdigen Titel „Hello Kitty muss sterben“ erzählen
möchte. Diesen Beitrag wollte ich eigentlich schon vor einer Woche
verfassen; direkt, nachdem ich den Roman ausgelesen hatte; aber ich
musste mir erst einig mit mir selbst werden, wie ich „Hello Kitty
muss sterben“ nun eigentlich einstufe. Denn die Geschichte ist doch
eher aussergewöhnlich – oder würdet ihr euch etwa freuen, den
bösen Mitschüler von früher wiederzutreffen und herauszufinden,
dass dieser inzwischen leidenschaftlicher Serienmörder ist?
„Hello Kitty muss sterben“ - und da ist sie nicht alleine...
Die Firmenanwältin Fiona Yu ist in den
Vereinigten Staaten geboren und aufgewachsen, als Kind chinesischer
Einwanderer, die immer noch nach ihren asiatischen Traditionen leben,
welche Fiona doch im modernen Land der unbegrenzten Möglichkeiten
als reichlich hinterwäldlerisch empfindet. Sie fühlt sich weit mehr
amerikanisch als asiatisch, aber nun haben ihre Eltern auch noch
beschlossen, dass Fiona dringend heiraten muss – immerhin ist sie
schon Ende 20! Für ihre Eltern kommt natürlich nur ein chinesischer
Schwiegersohn in Frage und so arrangiert ihr Vater diverse dates mit
den Söhnen von Bekannten. Allerdings hat Fiona gar kein Interesse an
einer Heirat geschweige denn überhaupt an einer Beziehung; sie ist
ziemlich asexuell, zudem ohnehin eher menschenfeindlich; und erst
recht möchte sie keinen Mann über sich bestimmen lassen...
Für Fiona gibt es nur eine Lösung:
ihr Jungfernhäutchen muss weg! In der Welt ihrer Eltern gilt eine
Frau, die bereits vor der Ehe Sex hatte, als eine Schande, die erst
gar niemand mehr heiraten will. Nachdem sie aber vergeblich versucht,
sich selbst zu entjungfern, stellt sich heraus: Fiona ist ohne Hymen
geboren. Fiona fühlt sich von der Natur betrogen: wollte sie sich
doch mit dem reissenden Jungfernhäutchen quasi symbolisch auch aus
dem chinesischen Mikrokosmos ihrer Eltern in den USA herausreissen...
Darum beschliesst sie, einen plastischen Chirurgen aufzusuchen, der
sich auf die Rekonstruktion von Jungfernhäutchen spezialisiert hat:
dieser entpuppt sich allerdings ausgerechnet als Sean, der zu
Schulzeiten ihr engster Vertrauter war und damals schon sadistische
Wesenszüge aufzeigte.
Die alte Freundschaft blüht wieder auf
und schon bald keimt in Fiona mehr als nur der Verdacht auf, dass
Sean in seiner Freizeit gerne Frauen ermordet. Nie redet er direkt
mit ihr über die „Ausübung seines Hobbys“, erklärt aber, wer
warum zu sterben verdient hat und gibt ihr diverse Hinweise: was ist
eine sichere Methode, was darf man nie machen? Fiona, schon immer
morbid fasziniert von Serienkillern gewesen, darf letztlich sogar
Opfer aussuchen und ergeht sich schon bald in Überlegungen, wie sie
denn potentielle Ehemänner loswerden kann...
„Hello Kitty muss sterben“: Latti hat`s gelesen!
„Hello Kitty muss sterben“ ist ein
Roman, der eher wenig Überraschungen bietet: man erfährt gleich im
ersten Kapitel vom fehlenden Jungfernhäutchen. Dass Sean ein
Serienkiller ist, wird auch schnell offensichtlich – ausserdem wird
all das bereits in der Kurzbeschreibung des Buches verraten. So
besteht der gesamte Roman eigentlich nur aus einer ihre Herkunft (und
ihr Hymen) verfluchenden Fiona und aus einem mordenden Sean, der
Fiona schnell zu einer Art Komplizin macht, auch wenn sie offiziell
von nichts weiss. Die Spannung besteht hier darin, dass man wissen
möchte, wie sich dieses merkwürdige Konstrukt letztlich auflöst:
Fiona kann doch nicht jeden möglichen Ehekandidaten um die Ecke
bringen, ohne dass es irgendwann auffallen würde? Geht sie überhaupt
mal soweit, tatsächlich selbst zu töten und nicht nur Seans
Machenschaften voller Interesse zu verfolgen? Auch Sean kann doch
nicht bis an sein Lebensende mordend durch San Francisco ziehen?
Entwickelt sich hier eine Art Bonnie-und-Clyde-Geschichte; ziehen die
Beiden schliesslich eine blutige Spur quer durch die USA, wird Sean
erwischt, wird Fiona auch verknackt...? Verlieben sich die Beiden
ineinander, heiraten, bekommen Kinder, bauen ein Haus an der Küste,
werden zu netten Nachbarn und Sean mordet nie wieder...?
Wirklich: in „Hello Kitty muss
sterben“ wird ständig auf der Suche nach dem nächsten Opfer durch
die Strassen gezogen und ich dachte immer wieder, dass das nun aber
doch mal gut sei und dass doch nicht so weitergehen könnte.
Mit der Marke „Hello Kitty“ hat der
Roman „Hello Kitty muss sterben“ übrigens nur indirekt etwas zu
schaffen: also der Titel zielt nicht darauf ab, dass man diese Marke
eliminieren müsste. Hier soll kein Konzern plattgemacht werden und
auch wird nicht jeder, der irgendetwas von „Hello Kitty“ besitzt,
um die Ecke gebracht.
„Hello Kitty“ wird von Fiona eher
als Symbol gesehen: für sie ist die stumme, ausdruckslose, aber
niedliche Katze ein Sinnbild für das chinesische Frauenbild.
Der Roman hat mich zwar gepackt und ich
habe die Geschichte in einem Rutsch durchgelesen, kann aber kaum
direkt benennen, was mich so fasziniert hat: Fiona blieb immer sehr
spröde und war eigentlich nie wirklich sympathisch; so recht konnte
ich mich mit ihr nicht anfreunden. Sie entspricht eher der
Arbeitskollegin aus dem Büro, mit der man nach Feierabend gerne mal
noch nen kleinen Absacker trinkt oder Ähnliches, mit der man aber
dennoch nur oberflächlich bekannt sein will. Allerdings bot Fiona
natürlich interessante Einblicke in die chinesische Kultur bzw. in
das, was hiervon in den USA Einzug gehalten hat. Man merkte schon
deutlich, dass Fiona sich mit ihrer genetischen Herkunft nicht so
recht identifizieren konnte, aber doch auch teilweise deutlich vom
„Chinatum“ in ihrem Leben geprägt war (z.B. desinfizierte sie
gerne alles). So kritisierte sie zwar einerseits die eher
unterwürfige Stellung, die eine chinesische Frau traditionell
innehaben sollte, ordnete sich gegenüber Sean aber auch eher unter
und begab sich hier in eine sehr passive Stellung. Auch war sie nach
ihrem Studium in Yale immerhin zurück in ihr Elternhaus nach San
Francisco gezogen, was ich bis zuletzt nicht so recht nachvollziehen
konnte, da sie sich dort doch so fremdbestimmt fühlte.
Irgendwie erinnerte mich Fiona
insgesamt an eine psychopathische Version der Nerds aus „The Big
Bang Theory“, die offen hinter „American Psycho“ herspioniert.
Sean war als Serienmörder nun auch
nicht der Sympathieträger schlechthin: er blieb auch eher
phantomhaft und sehr darauf bedacht, nie zuviel zu verraten. Dabei
hatte er aber keine Hemmungen, Fiona zumindest indirekt über seine
Taten zu informieren; seltsamerweise gab es aber auch keinen Moment,
in dem ich dachte: „Mädchen, nun lauf! Jetzt weisst du zuviel, nu
killt er dich, damit du nichts mehr ausplaudern kannst!“
Zusammen waren Sean und Fiona einfach
ein sehr merkwürdiges Paar, von dem ich mich als Leserin eben
fragte: wohin soll das denn jetzt bitte führen? Und warum hat es
überhaupt erst bis hierher geführt?
„Hello Kitty muss sterben“
(übrigens eine recht originalgetreue Übersetzung des Titels „Hello
Kitty must die“) wartet teilweise mit einem sehr skurrilen Humor
auf; aufgrund der doch eher menschenfeindlichen oder zumindest
menschenverachtenden Geschichte eignet sich dieser Roman definitiv
nicht für Liebhaber lieber Bücher. Um bei „The Big Bang Theory“
zu bleiben: Fiona und Sean gehören definitiv zu den Personen, von
denen Amy Farrah Fawler juchzend verkünden würde: „Oh, ich würde
so gerne ihre Gehirne aufschneiden!“
Man muss schrillere Literatur mit einer
bösen Geschichte schon mögen, um sich überhaupt auf „Hello Kitty
muss sterben“ einlassen zu können. Mit Romantik und (positiven)
Gefühlen hat das Ganze nichts zu tun und die pinkfarbene
Covergestaltung suggeriert Kitsch, den es hier ebenfalls nicht gibt.
Ich fand den Roman nun zwar nicht
schlecht, aber vom Hocker gerissen hat mich die „Hello Kitty muss sterben“-Geschichte nun auch nicht; allerdings hat sie sich mir
doch mehr ins Gedächtnis gebrannt als andere Werke, von daher
reichts dann auch immerhin noch für glatte
7 von 10 Rauschmitteln.
Buch-Info
"Hello Kitty muss sterben“",
Angela S. Choi / Verlag: btb / ISBN-10: 3442741262
/ ISBN-13: 978-3442741267
/ 288 Seiten / 8,99€ (Taschenbuch) / 7,99 (ebook)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen