Am 23.12. sind Punti und ich nun mit dem Zug zu meiner
Familie gefahren. Mein Kindle war voll mit (noch) ungelesenen Büchern und kurz
nach Mannheim beschloss ich dann, doch noch etwas zu lesen. Also wurde der
eReader ausgepackt und spontan mittels „Eene meene Muh“ ein Buch auf der ersten
Seite des Speichers herausgepickt und so prompt „Bitter Love“ von JenniferBrown erwischt. Tja, und das habe ich dann artig zu lesen bekommen, mit dem
Anflug einer leichten Panik: wie peinlich wäre es wohl, im ICE über dem Kindle
in Tränen auszubrechen?
„Bitter Love“
Seit ihre Mutter vor einigen Jahren gestorben ist, fühlt
sich Alex allein: die Beziehung zwischen ihr, ihren Schwestern und dem Vater
scheint zerrissen und nach dem Schulabschluss möchte Alex auf den Spuren ihrer
Mutter zusammen mit ihren besten Freunden Zack und Beth eine Reise nach
Colorado unternehmen. Wöchentlich treffen sich die Drei und beschäftigen sich
mit der Reiseplanung – doch dann kommt der charismatische Cole neu auf ihre
Schule und zwischen Alex und ihm entwickelt sich eine romantische Beziehung,
die die Dreier-Freundschaft ins Hintertreffen geraten lässt.
Und dann kommt auch noch eine völlig gegensätzliche Seite
des anfangs doch so romantischen, sensiblen Cole zum Vorschein: er kontrolliert
Alex mehr und mehr, seine Eifersucht wird übergross und die Zärtlichkeit kehrt
sich in Aggressivität um… Doch zwischendurch ist er immer wieder „Cole vom
Anfang“ und Alex kann nicht von ihm lassen, obschon auch ihre Angst vor Cole
immer grösser wird…
"Bitter Love": Latti hat`s gelesen
Um es gleich vorwegzunehmen: ich empfand es dann doch gar
nicht als so schlimm, als mir am Ende des Buches dann doch einige Tränen in die
Augenwinkel geschossen sind. Also falls jemand von euch am 23.12.2012 mit dem
ICE Basel-Dortmund gefahren ist und kurz vor Köln dann in der 1. Klasse eine
lautlos weinende Frau mit einem Kindle in der Hand bemerkt hat: das war ich und
mir gings prima; ich hatte keine Weihnachtsdepression oder dergleichen, ich
habe lediglich mal wieder etwas von Jennifer Brown gelesen gehabt.
„Bitter Love“ erzählt wiederum eine ebenfalls sehr berührende Geschichte,
auch wenn ich finde, dass „Die Hassliste“ dann doch noch etwas mehr zu Herzen
ging. „Bitter Love“ wird in der 1. Person Singular, also von Alex selbst,
erzählt, die auch eine sehr direkte Sprache hat und sehr ausführlich berichtet.
„Bitter Love“ handelt eben von Gewalt in der Beziehung und
thematisiert aber auch die innere Zerrissenheit und die Unsicherheit eines
Opfers. Es erläutert, warum „Wenn er mich einmal schlägt, bin ich weg.“ häufig
doch nicht mehr ist als eine blosse Floskel: so erklärt bzw. rechtfertigt Alex
Coles ersten Ausraster gleich als Ausnahmeerscheinung; klar, er hat zuvor auch
noch keinerlei Aggressionen gezeigt. Aber auch beim zweiten Ausraster nimmt sie
seine Entschuldigung noch an – und plötzlich ist die gesamte Situation schon
soweit fortgeschritten, dass Alex einfach nur noch Angst hat… Sie weiss nicht,
wem sie sich anvertrauen kann bzw. wer ihr überhaupt helfen kann und sie hat
Angst, dass wem immer sie die Wahrheit über die erlebte Gewalt sagt, auch von
Cole zum Opfer gemacht wird. Es ist eine sehr verzwickte Angelegenheit und beim
Lesen wollte ich Alex ständig in den Arm nehmen und sie von Cole wegziehen,
konnte ihre Beweggründe zu schweigen und Verletzungen zu überdenken aber auch
durchaus nachvollziehen. Der Gedanke „Du blöde Kuh, nun schiess ihn doch
einfach in den Wind.“ oder „Jetzt sag doch einfach mal was und bitte um Hilfe.“
kam gar nicht auf; in mir entstand eher so eine Grundverzweiflung, dass es
offenbar in Alex` Umfeld niemanden aufzufallen schien, dass sie ständig
Verletzungen versteckte bzw. dass niemand ihre teils doch recht dummen
Begründungen für die Blutergüsse etc. von niemandem hinterfragt worden ist,
obwohl Cole später auch gegenüber Alex` Freunden total austickt… Insgesamt wird
„Bitter Love“ von einer ausgeprägten Hilflosigkeit beherrscht, die hier noch
tragischer wirkt, da es sich eben um noch jugendliche Hauptfiguren handelt, die
nicht zuletzt aufgrund ihres Alters und der mangelnden Lebenserfahrung
natürlich erst recht noch hoffnungslos mit einer solchen Situation überfordert
sind.
Falls jemand von euch in einer ähnlichen Situation wie Alex
steckt: die Schweizerische Eidgenossenschaft hat ein Informationsblatt
explizit zu Gewalt in jugendlichen
Paarbeziehungen (PDF-Format) herausgegeben, auf dem auch einige Adressen/Hilfsangebote
aufgeführt sind. In Deutschland und Österreich gibt es sicherlich ähnliche
Angebote: nutzt sie!
Alles in Allem ist auch „Bitter Love“ ein sehr reflektiertes
Buch und ich schätze an Jennifer Brown sehr, dass sie ihre Geschichten doch
immer so differenziert betrachtet erzählt. Ich möchte auch in Zukunft noch
sehr, sehr viel von dieser Autorin lesen und freue mich schon wahnsinnig auf
den nächsten Roman „Thousand Words“, der im Mai 2013 erscheint (einen deutschen
Titel bzw. ein Veröffentlichungsdatum für den deutschsprachigen Raum habe ich
nun noch nicht gefunden). Zudem steht die Veröffentlichung der bereits im Juli
2012 erschienenen Road Trip Novelle „Perfect Escape“ hierzulanden auch noch
aus; immerhin gabs die deutschsprachige Ausgabe von „Bitter Love“ (welches im
englischsprachigen Original übrigens „Bitter end“ heisst) auch erst im
September 2012.
Allerdings fand ich das Ende von „Bitter Love“ nun nicht
ganz so gut gelungen; da hätte ich gerne etwas mehr über die Zeit nach dem
wirklich dramatischen „Showdown“ erfahren bzw. auch noch mehr darüber gelesen,
wie Alex` Umfeld nun eigentlich mit der Situation umgeht, beispielsweise, ob da
nicht im Nachhinein noch wer von Schuldgefühlen zerfressen wird, weil er nicht
schon weit zuvor eingegriffen hat oder Ähnliches. Insgesamt fand ich den
Schlussteil einfach zu kurz, nachdem man zuvor quasi immer eins mit Alex
gewesen ist; da fehlte mir nun einfach ein klitzekleines bisschen was.
Nichtsdestotrotz: ein fantastisches Buch, in dem eine sehr wichtige Thematik
angesprochen wird (weswegen es eine Weiterempfehlung sicherlich absolut
verdient hat!), und ich sagte schon, Jennifer Browns „Hassliste“ würde ich
tatsächlich mit der Höchstwertung benoten, aber hier ziehe ich dann doch noch
ein kleines Pünktlein ab. Und das sind dann doch immer noch
9 von 10 Rauschmitteln!
„Bitter Love“, Jennifer Brown / Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag / ISBN-10: 3423760486 / ISBN-13: 978-3423760485 / 408 Seiten / 14,95€
(gebundene Ausgabe) / ebook-Preis: 12,99€
Preise (vom 16.01.2013) in der Schweiz: ex libris – CHF 17,50
(gebunden); CHF 10,55 (ebook) / Thalia – CHF 21,90 (gebunden); CHF 15,90
(ebook) / Weltbild – CHF 21,90 (gebunden); CHF 17,90 (ebook)
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