Samstag, 2. März 2013

Christina Dodd: "Ein Kuss von dir"

Dinge, die ich nie von mir gedacht hätte: dass ich tatsächlich mal anfange, Historical Romance (oder anders gesagt: alterstümlichen Kitsch in opulenten Kleidern) zu lesen. Aber als ich via Zufall „Ein Kuss von dir“, geschrieben von Christina Dodd, aus dem Regal zog und das Cover so betrachtete, musste ich einfach einen Blick hineinwerfen – nur schon alleine deshalb, um nicht weiter aufs Cover schauen zu müssen, welches mich doch irgendwie verstörte: eine blonde Frau, die sich knieend zurücklehnt, um ihren Kopf an der Brust eines Mannes zu wiegen, für den sie offensichtlich heissblütig entflammt ist. Der Mann steht seitlich, sein Hemd rutscht neckisch von der uns zugewandten Schulter (wohl der Fairness halber befinden sich ihre Brüste auch mehr ausserhalb als in ihren Kleidern; irgendwie fällt es mir schwer, auf diesem Titelbild mehr als Titten und Blumen zu erkennen) und sein Schulter-Nacken-Rückenbereich wirkt unnatürlich unproportional und allzu kantig. Schlechter Fotoshopper oder echtes Rückenleiden? Naja, und Blumen, Bäume, Blätter: das Paar wird von einem äusserst floralen Hintergrund eingehüllt.

 

Mehr Kitsch geht hier ebensowenig wie noch mehr Brüste gehen würden, ohne ein weiteres Nipplegate hervorzurufen: mein erster Eindruck von „Ein Kuss von dir“ war also denkbar schlecht.
Aber dann habe ich es doch tatsächlich angelesen – und nicht mehr aufgehört, bis ich diesen Historical-Romance-Roman komplett gelesen hatte.


„Ein Kuss von dir“ - Rollentausch und Rachedurst

Die Hand von Madeline de Lacy, die künftige Duchess of Magnus, ist von ihrem Vater wenig glorreich und unbekannterweise an den amerikanischen Geschäftsmann Remington Knight verspielt worden, wovon sie natürlich wenig angetan ist, nicht zuletzt, da sie schon mit einem anderen Mann angebändelt hat. So überredet sie ihre Cousine Eleonor de Lacy, ihre beste Freundin, welche mit ihr als ihre Gesellschafterin schon diverse weltenbummlerische Abenteuer bestanden hat, sich als sie auszugeben: so reist also Eleonor an Madelines Stelle nach London, um deren voraussichtlich zukünftigem Ehemann zu begegnen, während Madeline im Hintergrund einen Weg sucht, um die anstehende Hochzeit doch noch zu verhindern.

Aber Remington Knight lässt Eleonor gleich ins Schwärmen geraten und auch er ist von ihr sehr angetan, aber wie wird er reagieren, wenn er herausfindet (was doch nur eine Frage der Zeit ist), dass Eleonor gar nicht seine vermeintliche Braut Madeline ist und die Zwei ihn zum Narren gehalten haben? Ohnehin erschien Eleonor der „Tauschplan“ bereits von Anfang an ein wenig unausgefeilt, aber nun sitzt sie da: verliebt in einen Mann, der sie für eine andere Frau hält und in ihrer Begleitung diverse Gesellschaften besucht, auf denen sie immer Angst haben muss, enttarnt zu werden.
Was Eleonor aber nicht weiss: Remington verfolgt seine ganz eigenen Pläne und wollte sich mit der Vermählung mit einer de Lacy eigentlich nur für ein grausames, ungeklärtes Verbrechen in der Vergangenheit an ihrer gesamten Familie rächen…

… tja, und dann beschliesst Mr. Knight kurzerhand, Verlobungsfeier und Hochzeit terminlich deutlich vorzuziehen und Eleonor sitzt erst recht zwischen allen Stühlen: sie kann Remington schliesslich kaum an Madelines Stelle heiraten, auch wenn sie es nur allzu gerne doch täte…


„Ein Kuss von dir“ - Latti hat`s gelesen

Natürlich: die Geschichte ist komplett hanebüchen und ich hatte anfangs auch Schwierigkeiten, mich in die Szenerie einzufinden. Denn irgendwann später wird zwar ganz beiläufig erwähnt, dass Madeline während der Zeit, in der Eleonor sich als sie ausgibt, versucht oder versuchen will, ihre Vermählung mit Remington zu verhindern. Aber wie genau sie das anstellen will, wird nicht gesagt und so erschien mir dieser ganze Frauentausch dann doch als allzu hirnrissig. Ich hätte es verstanden, wenn die beiden Damen de Lacy geplant hatten, dass Eleonor sich in Madelines Rolle einfach nur komplett danebenbenehmen sollte, so dass Remington einen Rückzieher machen würde: aber nein. Und so ergab dieser Rollentausch für mich erst recht keinen Sinn, aber da auch „Ein Kuss für dich“ wie die meisten Romane dieses Genres doch sehr voraussehbar ist und für mich ausser Frage stand, dass Eleonor und Remington sich am Ende doch bekommen würden, habe ich es letztlich nur wegen dieses diffusen Rollentauschs gelesen: gibt es fortan zwei Madeline de Lacys? Fliegt das Ganze niemals auf? Wenn es auffliegt: wann und warum fliegt es auf? Und sagt Remington dann einfach nur: „Och, egal passt schon, ich nehm wohl auch dich, Eleonor!“ – und alles ist Friede, Freude, Eierkuchen? Was ist mit Remingtons komischem Racheplan?

Als Leser wird man nämlich sehr schnell darüber informiert, dass es im Umkreis der de Lacys vor Jahrzehnten ein schlimmes Verbrechen gegeben hat und dass Remington Knight nun mit diesem Drama zusammenhängende Rachegelüste verspürt, aber warum er die Heirat mit Madeline nun als perfekte Rache an der Adelsfamilie ansieht, blieb mir ebenso verborgen wie der Sinn des weiblichen Rollentausches: „Ha, ihr seid doof. Darum heirate ich jetzt eure Duchess; das habt ihr dann davon!“ Ja, durch die Heirat hätte er in der damaligen Zeit als Madelines Ehemann die Macht und die Kontrolle über sie und die Familienbesitztümer erlangt, aber trotzdem… Dafür, dass Christina Dodd die männliche Hauptfigur reichlich rachelüstern zu schildern versuchte, war sein Racheplan doch irgendwie schon fast süss.

Als etwas weniger süss erweist sich die dann doch auch erstaunlich toughe Eleonor, die sich anfangs doch in ladyliker Zurückhaltung übte: denn natürlich fallen Eleonor und Remington irgendwann übereinander her und meine Herren… Eleonor ist ein ziemlich verdorbenes Früchtchen, mit einer Sprache, die für eine Dame des Adels Anfang des 19. Jahrhunderts (und noch dazu für eine Jungfrau) doch definitiv sehr derb ist – allerdings habe ich Dirty Talk noch nie in so vornehme Worte gekleidet („dein Geschlecht in meinem Mund baden“) vernommen. Die Sex-Szenen sind hier übrigens seeeeeeeeeeeeeeehr ausführlich.

Insgesamt besteht die erste Hälfte von „Ein Kuss von dir“ (angesichts der intimen Vorkommnisse zwischen Remington und Eleonor ein sehr untertriebener Titel) aus einem undurchdachten Rollentausch nebst unklarem Rachedurst, das dritte Viertel zeichnet sich eigentlich nur durch Sex aus und das letzte Viertel durch einen dramatischen Showdown, in dem Rollentausch und Rachedurst aufgedröselt werden, es noch mehr Sex gibt, das Verbrechen der Vergangenheit aufgeklärt wird und in dem sich Eleonor quasi noch in Xena, die olle Kampfbraut, verwandelt.

Aber hach, ich hatte solchen Spass beim Lesen.

Allerdings muss ich zugeben: Remington Knight versprühte für mich doch auch ein immenses Rhett-Butler-Aroma und der ist nach wie vor eine meiner allerliebsten literarischen Personen. Eleonor hat allerdings rein gar nichts von Scarlett O`Hara, sondern ist eher etwas „Shades of Grey“-Ana-mässig unterwegs. Diese Paar-Kombination kann doch auch nur Spass machen!
Ein bisschen peinlich ist es mir ja schon, dass ich „Ein Kuss von dir“ doch so begeistert gelesen habe, allerdings: es wird wohl nicht lange dauern, bis ich diesen Roman vergessen habe. Er erzählt doch eine sehr seichte, triviale und eigentlich reichlich unglaubwürdige, kitschige Geschichte, die eben zu nicht viel mehr als zur kurzweiligen Unterhaltung taugt. Aber die Autorin Christina Dodd ist eben eine fantastische Geschichtenerzählerin: da hört man gerne zu bzw.  da liest man sich dann auch den „Kuss von dir“ gerne durch.

Durch die Rezensionen bei Amazon bin ich übrigens darauf aufmerksam gemacht worden, dass „Ein Kuss von dir“ der Folgeroman zu „Spiel mit der Leidenschaft“ ist: jenen Roman kenne ich allerdings nicht und ohne diese Leser-Hinweise wäre ich auch gar nicht auf die Idee gekommen, dass „Ein Kuss von dir“ einer Buchreihe (offenbar handelt es sich hier aber auch nur um einen simplen Zweiteiler) entstammen könnte. Man kann „Ein Kuss von dir“ also auch ganz gut separat lesen; die Beschreibung von „Spiel mit der Leidenschaft“ klingt allerdings danach als würde man hier erfahren, was Madeline erlebt, während Eleonor an ihrer Stelle zu Remington gereist ist. Es könnte also sein, dass im ersten Band verraten wird, wie genau der Plan der Beiden, was den Rollentausch angeht, eigentlich ausgesehen hat – also dort das erzählt wird, was mir bei „Ein Kuss von dir“ zu sehr unter den Teppich gekehrt wurde. Aber das ist angesichts Eleonors planlosen Verhaltens hier nun eigentlich auch nicht weiter wichtig, nur irritierend. Von daher: sei`s drum!

6,3 von 10 Rauschmitteln

Buch-Info

"Ein Kuss von dir", Christina Dodd / Blanvalet Taschenbuch Verlag / ISBN-10: 344236289X / ISBN-13: 978-3442362899 / 352 Seiten / aktuell offensichtlich weder neu (gebraucht wird es aber aktuell beispielsweise bei Medimops und booklooker angeboten, teilweise auch als Doppelband mit "Spiel mit der Leidenschaft") noch als ebook erhältlich 

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