Montag, 25. Februar 2013

Roman Schrott: "Dilettanten müssen sterben"

[Bücher-ABC 2013] Wie auch das zuletzt hier vorgestellte ebook „Die Konvertitin“ von Karl-Heinz Thifessen ist auch „Dilettanten müssen sterben“ von Roman Schrott im Rahmen einer Gratis-Aktion bei Amazon auf meinem Kindle gelandet und diese Lektüre hat mir nun einen äusserst vergnüglichen Leseabend beschert.

Amazon bietet jedem im Rahmen seines kostenfreien KDP-Programmes (Kindle Direct Publishing) die Möglichkeit, seine Geschichten nicht nur gratis zu veröffentlichen, sondern damit auch noch Geld zu verdienen. „Geschichten verkaufen“ klingt nach einer sehr einfachen Verdienstmöglichkeit, allerdings: Geschichten erzählen liegt nun wirklich nicht jedem…
So findet man zwischen diesen ganzen ambitionierten Amazon-Autoren durchaus mal das ein oder andere Autorentalent (die Bücher von Uwe Liebelt gefallen mir unter Anderem beispielsweise sehr), aber häufig stolpert man doch über Autoren, die holprige Geschichten erzählen und dabei so ganz nebenbei noch ein eigenes Deutsch erfinden – und teils aufgebracht „Künstlerische Freiheit!“ rufen, wenn 17 Rechtschreibfehler in zehn Worten bemängelt werden.

Schrotts „Dilettanten müssen sterben“ thematisiert nun das weite Feld der Independent-Schriftsteller, welches von unterschiedlichem Niveau, andersartigem Deutsch sowie gutem Deutsch, guten und schlechten Geschichten, Könnern und Wollern, Neid und Misstrauen… durchpflügt ist.


„Dilettanten müssen sterben“: Erfolge und Misserfolge eines Indies

Der Independent-Autor Max ist gefrustet: früher konnte er seine Kurzgeschichten problemlos an Zeitschriften etc. veräussern, so dass er sich durchaus als erfahrenen Schreiberling bezeichnen würde. Dennoch verkaufen sich seine nun von ihm bei Amazon offerierten ebooks nun eher schlecht.
Während er auf den hinteren Verkaufsrängen vor sich hin dümpelt, wird die Position an der Spitze der Bestsellerliste nahezu uneinnehmbar von Sigbert Kruse besetzt, der Max als seinen besten Freund bezeichnet, den Max aber dennoch einfach nur „doof“ nennen würde. Und das Schlimme: Kruses Geschichten waren es, die früher immer abgelehnt wurden, und auch seine Gruselromane, die ihn nun zum „Indie-Autor Nr. 1“ werden liessen, sind laut Max nicht nur mies geschrieben, sondern strotzen auch nur so vor Logikfehlern, von der Schlechtschreibung mal ganz abgesehen… Kruse interessiert das alles gar nicht, denn immerhin kann er von seinen Verkäufen seinen Lebensunterhalt bestreiten und ausserdem vertritt er die Meinung, dass die Leser notfalls doch einfach erraten könnten, was gemeint sei.

Als Kruse dann doch kryptische Drohbriefe erhält („Dilettanten müssen sterben!“) und während seiner Abwesenheit in seine Wohnung eingedrungen wird, ist Max zunächst heimlich schadenfroh und dann aufgebracht, als Kruse ihm erzählt, dass dieser auch den erfolglosen Max durchaus zum Kreis der Verdächtigen zählt. Daraufhin erklärt sich Max bereit, für Kruse quasi als Privatermittler zu fungieren und den wirklich Schuldigen zu ermitteln…

„Dilettanten müssen sterben“: Latti hat`s gelesen

In der Amazon-Kurzbeschreibung wird „Dilettanten müssen sterben“ derzeit als satirisches Werk angepriesen: für eine Satire ist es mir persönlich aber noch zu wenig überzogen. Ich würde diese kleine Novelle (umgerechnet ca. 100 Buchseiten) eher als durch und durch skurril bezeichnen.

Die Figuren, die hier beschrieben werden (und zum grössten Teil zur Indie-Autoren-Szene gehören), haben alle ihre ganz eigene Art, noch mehr Unarten und wirken aber allesamt authentisch… Max fungiert hier als Ich-Erzähler und bei ihm klingt schon ein gewisser Neid durch (vonwegen: „Früher wurden meine Stories in den Zeitschriften gedruckt, so gut bin ich, aber trotzdem komme ich nicht einen Schritt vorwärts.“); manchmal möchte man ihn auch nehmen und kräftig schütteln: denn Max zählt offensichtlich zu den Autoren, die durchaus Wert auf professionelle Schreibarbeit legen, die aber der Meinung sind, dass das schon ausreicht, um die Leser ans Buch zu bekommen. So lässt er sich darüber aus, dass Kruse werbetechnisch nichts auslässt, Facebook, Twitter und Co. nahezu exzessive nutzt, um sich dann darüber zu beschweren, dass niemand auf seine Werke aufmerksam wird. (Er macht natürlich keinerlei Werbung.)
Aber Max blieb mir trotzdem sympathisch: Sigbert Kruse wird einfach sehr schmierig und marktschreierisch geschildert, so dass man den grossen unbekannten Bedroher durchaus verstehen konnte und auch wie Max schadenfroh reagierte, wenn es da mal wieder ein Vorkommnis gab.

Der Kreis der Kruse-Droh-Verdächtigen besteht zum Grossteil aus einer Art Indie-Autoren-Stammtisch, dem auch Kruse und Max angehören und der sich schon verkleinert hat, nachdem man einem über Erfolglosigkeit klagendem Kinderbuchautorenpaar erklärt hat, sie würden doch auch nicht nur für, sondern auch wie Kinder schreiben. Sinnen die Zwei auf Rache? Oder ist es doch einer der anderen Stammtisch-Autoren, die allesamt längst nicht soviel verkaufen wie Sigbert Kruse, aber sich doch sicher sind, dass sie jeweils besser als alle anderen Mitglieder ihres kleinen Klübchens schreiben können.
Da gibt es insgesamt einen sehr schönen Querschnitt durch die Indie-Population: herrlich!

Und was ist eigentlich mit Sigbert Kruses Ex-Freundin, die er in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vor die Tür gesetzt hat, und welche offensichtlich  längst nicht mit der Trennung abgeschlossen hat? (Der Hintergrund dieser Trennung birgt übrigens eine weitere äusserst schräge Geschichte in sich.)

Humortechnisch hat mich „Dilettanten müssen sterben“ doch sehr an Sue Townsends Adrian-Mole-Reihe erinnert (der ist zudem ja immerhin auch so ein verkanntes Dichter-Genie) und ich gebe zu: ich war doch schon ein wenig traurig als ich dies ebook dann ausgelesen hatte. Ich hätte zu gerne noch mehr von den diversen Indie-Autoren erfahren…

Ich konnte diesen kurzen Roman nun eben im Rahmen einer Gratis-Aktion erwerben, aktuell ist er (wieder) zu einem Preis von 0,99€ zu haben – im Übrigen DRM-frei - und auch diesen €uro hätte ich für jene Geschichte doch nur allzu gerne ausgegeben. Für einen knappen €uro wird hier wirklich ordentlich Lesespass geboten, sofern man eben etwas skurrilere Typen und schräge Geschichten mag! (Man beachte übrigens auch das offensichtliche und grossartig gewählte Pseudonym des Autors…)

8,5 von 10 Rauschmitteln

Buch-Info

„Dilettanten müssen sterben“, Roman Schrott / Kindle Edition / derzeit offenbar lediglich als ebook via Amazon beziehbar / 0,99€ (Preis vom 25.02.2013)

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