Montag, 22. April 2013

Angela S. Choi: "Hello Kitty muss sterben"

[Bücher-ABC 2013] In meiner Vorstellung von Nathalie Bergdolls Roman „Hochgefickt“ habe ich ja schon darauf hingewiesen, dass ich auch noch von einem Roman mit dem denkwürdigen Titel „Hello Kitty muss sterben“ erzählen möchte. Diesen Beitrag wollte ich eigentlich schon vor einer Woche verfassen; direkt, nachdem ich den Roman ausgelesen hatte; aber ich musste mir erst einig mit mir selbst werden, wie ich „Hello Kitty muss sterben“ nun eigentlich einstufe. Denn die Geschichte ist doch eher aussergewöhnlich – oder würdet ihr euch etwa freuen, den bösen Mitschüler von früher wiederzutreffen und herauszufinden, dass dieser inzwischen leidenschaftlicher Serienmörder ist?


„Hello Kitty muss sterben“ - und da ist sie nicht alleine...

Die Firmenanwältin Fiona Yu ist in den Vereinigten Staaten geboren und aufgewachsen, als Kind chinesischer Einwanderer, die immer noch nach ihren asiatischen Traditionen leben, welche Fiona doch im modernen Land der unbegrenzten Möglichkeiten als reichlich hinterwäldlerisch empfindet. Sie fühlt sich weit mehr amerikanisch als asiatisch, aber nun haben ihre Eltern auch noch beschlossen, dass Fiona dringend heiraten muss – immerhin ist sie schon Ende 20! Für ihre Eltern kommt natürlich nur ein chinesischer Schwiegersohn in Frage und so arrangiert ihr Vater diverse dates mit den Söhnen von Bekannten. Allerdings hat Fiona gar kein Interesse an einer Heirat geschweige denn überhaupt an einer Beziehung; sie ist ziemlich asexuell, zudem ohnehin eher menschenfeindlich; und erst recht möchte sie keinen Mann über sich bestimmen lassen...
Für Fiona gibt es nur eine Lösung: ihr Jungfernhäutchen muss weg! In der Welt ihrer Eltern gilt eine Frau, die bereits vor der Ehe Sex hatte, als eine Schande, die erst gar niemand mehr heiraten will. Nachdem sie aber vergeblich versucht, sich selbst zu entjungfern, stellt sich heraus: Fiona ist ohne Hymen geboren. Fiona fühlt sich von der Natur betrogen: wollte sie sich doch mit dem reissenden Jungfernhäutchen quasi symbolisch auch aus dem chinesischen Mikrokosmos ihrer Eltern in den USA herausreissen... Darum beschliesst sie, einen plastischen Chirurgen aufzusuchen, der sich auf die Rekonstruktion von Jungfernhäutchen spezialisiert hat: dieser entpuppt sich allerdings ausgerechnet als Sean, der zu Schulzeiten ihr engster Vertrauter war und damals schon sadistische Wesenszüge aufzeigte.
Die alte Freundschaft blüht wieder auf und schon bald keimt in Fiona mehr als nur der Verdacht auf, dass Sean in seiner Freizeit gerne Frauen ermordet. Nie redet er direkt mit ihr über die „Ausübung seines Hobbys“, erklärt aber, wer warum zu sterben verdient hat und gibt ihr diverse Hinweise: was ist eine sichere Methode, was darf man nie machen? Fiona, schon immer morbid fasziniert von Serienkillern gewesen, darf letztlich sogar Opfer aussuchen und ergeht sich schon bald in Überlegungen, wie sie denn potentielle Ehemänner loswerden kann...

„Hello Kitty muss sterben“: Latti hat`s gelesen!

„Hello Kitty muss sterben“ ist ein Roman, der eher wenig Überraschungen bietet: man erfährt gleich im ersten Kapitel vom fehlenden Jungfernhäutchen. Dass Sean ein Serienkiller ist, wird auch schnell offensichtlich – ausserdem wird all das bereits in der Kurzbeschreibung des Buches verraten. So besteht der gesamte Roman eigentlich nur aus einer ihre Herkunft (und ihr Hymen) verfluchenden Fiona und aus einem mordenden Sean, der Fiona schnell zu einer Art Komplizin macht, auch wenn sie offiziell von nichts weiss. Die Spannung besteht hier darin, dass man wissen möchte, wie sich dieses merkwürdige Konstrukt letztlich auflöst: Fiona kann doch nicht jeden möglichen Ehekandidaten um die Ecke bringen, ohne dass es irgendwann auffallen würde? Geht sie überhaupt mal soweit, tatsächlich selbst zu töten und nicht nur Seans Machenschaften voller Interesse zu verfolgen? Auch Sean kann doch nicht bis an sein Lebensende mordend durch San Francisco ziehen? Entwickelt sich hier eine Art Bonnie-und-Clyde-Geschichte; ziehen die Beiden schliesslich eine blutige Spur quer durch die USA, wird Sean erwischt, wird Fiona auch verknackt...? Verlieben sich die Beiden ineinander, heiraten, bekommen Kinder, bauen ein Haus an der Küste, werden zu netten Nachbarn und Sean mordet nie wieder...?
Wirklich: in „Hello Kitty muss sterben“ wird ständig auf der Suche nach dem nächsten Opfer durch die Strassen gezogen und ich dachte immer wieder, dass das nun aber doch mal gut sei und dass doch nicht so weitergehen könnte.

Mit der Marke „Hello Kitty“ hat der Roman „Hello Kitty muss sterben“ übrigens nur indirekt etwas zu schaffen: also der Titel zielt nicht darauf ab, dass man diese Marke eliminieren müsste. Hier soll kein Konzern plattgemacht werden und auch wird nicht jeder, der irgendetwas von „Hello Kitty“ besitzt, um die Ecke gebracht.
„Hello Kitty“ wird von Fiona eher als Symbol gesehen: für sie ist die stumme, ausdruckslose, aber niedliche Katze ein Sinnbild für das chinesische Frauenbild.

Der Roman hat mich zwar gepackt und ich habe die Geschichte in einem Rutsch durchgelesen, kann aber kaum direkt benennen, was mich so fasziniert hat: Fiona blieb immer sehr spröde und war eigentlich nie wirklich sympathisch; so recht konnte ich mich mit ihr nicht anfreunden. Sie entspricht eher der Arbeitskollegin aus dem Büro, mit der man nach Feierabend gerne mal noch nen kleinen Absacker trinkt oder Ähnliches, mit der man aber dennoch nur oberflächlich bekannt sein will. Allerdings bot Fiona natürlich interessante Einblicke in die chinesische Kultur bzw. in das, was hiervon in den USA Einzug gehalten hat. Man merkte schon deutlich, dass Fiona sich mit ihrer genetischen Herkunft nicht so recht identifizieren konnte, aber doch auch teilweise deutlich vom „Chinatum“ in ihrem Leben geprägt war (z.B. desinfizierte sie gerne alles). So kritisierte sie zwar einerseits die eher unterwürfige Stellung, die eine chinesische Frau traditionell innehaben sollte, ordnete sich gegenüber Sean aber auch eher unter und begab sich hier in eine sehr passive Stellung. Auch war sie nach ihrem Studium in Yale immerhin zurück in ihr Elternhaus nach San Francisco gezogen, was ich bis zuletzt nicht so recht nachvollziehen konnte, da sie sich dort doch so fremdbestimmt fühlte.
Irgendwie erinnerte mich Fiona insgesamt an eine psychopathische Version der Nerds aus „The Big Bang Theory“, die offen hinter „American Psycho“ herspioniert.

Sean war als Serienmörder nun auch nicht der Sympathieträger schlechthin: er blieb auch eher phantomhaft und sehr darauf bedacht, nie zuviel zu verraten. Dabei hatte er aber keine Hemmungen, Fiona zumindest indirekt über seine Taten zu informieren; seltsamerweise gab es aber auch keinen Moment, in dem ich dachte: „Mädchen, nun lauf! Jetzt weisst du zuviel, nu killt er dich, damit du nichts mehr ausplaudern kannst!“

Zusammen waren Sean und Fiona einfach ein sehr merkwürdiges Paar, von dem ich mich als Leserin eben fragte: wohin soll das denn jetzt bitte führen? Und warum hat es überhaupt erst bis hierher geführt?
„Hello Kitty muss sterben“ (übrigens eine recht originalgetreue Übersetzung des Titels „Hello Kitty must die“) wartet teilweise mit einem sehr skurrilen Humor auf; aufgrund der doch eher menschenfeindlichen oder zumindest menschenverachtenden Geschichte eignet sich dieser Roman definitiv nicht für Liebhaber lieber Bücher. Um bei „The Big Bang Theory“ zu bleiben: Fiona und Sean gehören definitiv zu den Personen, von denen Amy Farrah Fawler juchzend verkünden würde: „Oh, ich würde so gerne ihre Gehirne aufschneiden!“

Man muss schrillere Literatur mit einer bösen Geschichte schon mögen, um sich überhaupt auf „Hello Kitty muss sterben“ einlassen zu können. Mit Romantik und (positiven) Gefühlen hat das Ganze nichts zu tun und die pinkfarbene Covergestaltung suggeriert Kitsch, den es hier ebenfalls nicht gibt.

Ich fand den Roman nun zwar nicht schlecht, aber vom Hocker gerissen hat mich die „Hello Kitty muss sterben“-Geschichte nun auch nicht; allerdings hat sie sich mir doch mehr ins Gedächtnis gebrannt als andere Werke, von daher reichts dann auch immerhin noch für glatte

7 von 10 Rauschmitteln.

Buch-Info

"Hello Kitty muss sterben“", Angela S. Choi / Verlag: btb / ISBN-10: 3442741262 / ISBN-13: 978-3442741267 / 288 Seiten / 8,99€ (Taschenbuch) / 7,99 (ebook)
Preise (vom 22.04.2013) in der Schweiz: ex libris – CHF 10,80 (Taschenbuch); CHF 9,90 (ebook) / Thalia – CHF 13,50 (Taschenbuch); CHF 9,90 (ebook) / Weltbild – CHF 12,90 (Taschenbuch); CHF 10,00 (ebook)

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